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Was sind Gleichungen und was sind Variable?

Auf Twitter ist eine Diskussion über die Aufgaben der Mathematik-Zentralmatura aufgeflammt.

Einer der Ausgangpunkte war folgende Aufgabe:

Gewinnaufteilung

Eine Spielgemeinschaft bestehend aus 3 Spielerinnen gewinnt € 10.000. Dieser Gewinn wird wie folgt aufgeteilt: Spielerin B erhält um 50 % mehr als Spielerin A, Spielerin C erhält um 20 % weniger als Spielerin B.

Mit x wird der Betrag bezeichnet, den Spielerin A erhält (x in €).

Aufgabenstellung: Geben Sie eine Gleichung an, mit der x berechnet werden kann.

Ich habe angemerkt, dass ich die Aufgabenstellung für nicht besonders geglückt halte, weil man sie auch ohne Gleichung mit einer „Variablen“ lösen kann (warum da die Variable in Anführungszeichen steht erkläre ich weiter unten).

Nehmen wir einmal an, dass bei gleichem Aufteilungsshlüssel A € 1 bekommt. Dann bekommt B € 1,5 und C 80% von € 1,5, also 1,2€. Wenn also A € 1 erhält, dann beträgt die gesamte Auszahlung € (1 + 1,5 + 1,2) = € 3,7.

Bei eine Auszahlung von € 10.000 muss die Auszahlung also
\(\unicode{x20AC} \frac{10.000}{3,7}\stackrel{\text{gerundet}}{=} \text{ € } 2702,70\) betragen.

Es geht also ohne Gleichung. Die Gleichung, die laut Angabe aufgestellt werde musste, lautet natürlich

$$ x + 1,5 \cdot x + 1,5 \cdot 1,2 \cdot x = 10000$$

und mit algebraischen Umformungen kommt man natürlich zum selbem Ergebnis wie zuvor.

Gleichungen sind ein wichtiges Hilfsmittel, aber wenns einfacher geht, dann sollte man nicht verlangen, einen unnötig komplizierten Weg zu wählen.

Man könnte eine ganz ähnliche Aufgabe so formulieren:

A, B und C nehmen beim Lotto teil und vereinbaren, dass von jedem Gewinn B 50% mehr als A und C 20% weniger als B erhält. Beim Lotto wird erst nach der Ziehung bekannt, wie hoch die Gewinne sind.

Gib eine Formel an, die berechnet, welchen Betrag A erhält, wenn die Gewinnsumme insgesamt € x beträgt.

Bei dieser Aufgabe ist x eine „echte“ Variable, man kann einen Wert dafür einsetzen und erhält einen anderen Wert. Die gesuchte Formel lautet natürlich

$$\frac{x}{3,7}$$

Dabei handelt es sich natürlich genau genommen um eine Funktion mit einer Input-Variablen. Zu jedem möglichen gesamten Auszahlungswert wird die Auszahlung für A ermittelt.

«««< HEAD Variable sind - wie der Name sagt - etwas, das verschiedene Werte annehmen darf.

Wieso spricht man aber dann bei einer Gleichung wie \(3,7\cdot x=10000\) von der Variablen \(x\)? Die Lösung hat ja nur einen Wert und den darf man nicht ändern, sonst ist das ja keine Lösung mehr.

Variable sind - wie der Name sagt - etwas, das verschiedene Werte annehmen darf?

Wieso spricht man aber dann bei einer Gleichung wie \(3,7\cdot x=10000\) von der Variablen \(x\)? Die Lösung hat ja nur einen Wert und den darf man nicht ändern, sonst ist das ja keine Lösung mehr?

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Das hat damit zu tun, dass man Gleichungen etwas anders verstehen muss.

\(2=2\) ist eine richtige Gleichung, sie ist wahr.

\(2=3\) ist eine falsche Gleichung, sie ist falsch.

\(x=2\) ist weder wahr noch falsch. Wenn wir x durch 2 ersetzen wird sie wahr, wenn wir x durch 3 ersetzen wird sie falsch.

Gleichungen zu Lösen ist eine Puzzleaufgabe: Finde für die Variable jenen Wert (oder jene Werte) die die Gleichung wahr machen.

Korrekt müsste man sagen: 2 macht obige Gleichung zu einer wahren Aussage.

Bildlich gesprochen ist eine Gleichung mit einer Variablen eine Maschine mit einem Einwurfschlitz. Wir werfen verschiedene Zahlen ein. Wenn die Gleichung dadurch wahr wird, dann leuchtet ein grünes Licht, wenn sie falsch ist, dann leuchtet ein rotes Licht. Gesucht sind alle Zahlen, bei denen das grüne Licht aufleuchtet.

Gleichungen, bei denen auf der einen Seite eine Variable und sonst nichts und auf der anderen Seite eine Zahl steht, sieht man die Lösung an ;-)

Die Mathematik hat einen Satz von Techniken entwickelt, die aus einer Gleichung eine andere machen, der man die Lösung leichter ansieht. Die dabei angewendeten Operationen nennt man Äquivalenzumformungen.

Wir haben also zwei Konzepte: (zu lösende) Gleichungen und Funktionen mit Variablen.

Funktionen erzeugen aus einem Input einen Output.

Gleichung kann man so sehen: Wir haben eine Funktion (z.B. bestimmt durch den Ausdruck \(\frac{x}{3,7})\) und einen gewünschten Output (z.B. 10.000) gegeben und suchen den Input (die Inputs), die diesen Output erzeugen.

In unserem Fall: Welche Zahl muss ich in die Funktionsmaschine \(\frac{x}{3,7})\) in den mit \(x\) beschrifteten Einwurfschlitz einwerfen, damit beim Ergebnisschlitz 10.000 herauskommt?

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